Ernährung ausschließlich über die PEG

leerer weißer Teller, daneben Messer und Gabel auf lila Hintergrund. In der linken oberen Bildecke das weiße Logo von „Leben mit PEG“.

In einem meiner vorherigen Beiträge hatte ich schon davon geschrieben, dass eine Magensonde nicht automatisch bedeutet, dass man überhaupt nichts mehr oral zu sich nehmen kann. Das hängt natürlich immer sehr von der individuellen Situation ab. Wie viele andere Menschen, gehöre aber auch ich zu den Teilzeit-Oralverkostern. Ich kann also speziell zubereitete Nahrung in kleineren Mengen über den Mund zu mir nehmen. Aber das war nicht immer so. Heute möchte ich euch von der Zeit berichten, in der meine Ernährung ausschließlich über die PEG-Sonde lief.

Nicht mehr essen müssen

Nachdem ich meine erste Magensonde bekommen hatte, war ich quasi im Schlaraffenland. Durch die Sonde war sichergestellt, dass ich nun endlich ausreichend Kalorien zu mir nahm. Bedeutet, ich musste nicht mehr essen. Das war eine riesige Erleichterung für mich und hat einen unglaublichen Druck von mir genommen. Da wir aber in einer Welt leben, in der die orale Nahrungsaufnahme eine große Bedeutung hat, tat ich meinen Eltern natürlich leid (dazu später noch mehr). In der Konsequenz durfte ich von da an oral also alles naschen, was ich wollte. Angefangen bei der teuren Schokolade, über Honigmelone bis hin zum Krabbencocktail.

Anstrengender Kampf

Das ging so einige Zeit lang. Allerdings kam es auch immer wieder mal vor, dass ich mich an diesem bisschen Essen verschluckte. Logisch. Denn ich hatte die PEG ja nicht ohne Grund bekommen. Wenn ich mich also wieder einmal verschluckt hatte, bedeutete dies einen mindestens halbstündigen „Kampf“ für mich. Denn das, was ich da wortwörtlich in den falschen Hals bekommen hatte, musste ich wieder heraushusten. Darin hatte ich leider Übung und auch meine ganz spezielle Technik. Das alles war nichtsdestotrotz nicht nur unangenehm, sondern auch ziemlich anstrengend und nicht schön mit anzusehen. Also zog ich mich in einem solchen Fall immer in mein Zimmer zurück.

Eines Abends …

Eines Abends saß ich mit meinem Vater beim Abendessen. Der Rest der Familie war unterwegs. Und ich naschte eine Scheibe Käse. Dabei verschluckte ich mich, was das eben beschriebene Szenario nach sich zog. Als ich dann ziemlich abgekämpft aus meinem Zimmer in die Küche zurückkehrte, sagte mein Vater aus Spaß: „Na von mir kriegst du nichts mehr.“ Obwohl mir absolut klar war, dass er einen Witz gemacht hatte, war mir ebenfalls klar, dass er damit eigentlich recht hatte. So beschloss ich in diesem Moment, dass ich fortan nicht mehr oral essen würde. Brauchte ich dank der Magensonde ja auch nicht. Das ständige Risiko und die Konzentration, die beim Essen erforderlich war, waren das bisschen Genuss in meinen Augen nicht mehr wert.

So viel verpasst man gar nicht

Da ich diese Entscheidung für mich selbst und ohne Druck von außen getroffen hatte, konnte ich damit auch ziemlich gut leben. Schließlich hatte ich meine Gründe. Meiner Familie tat ich leid. Denn in ihren Augen verpasste ich natürlich unglaublich viel, wenn ich einfach nur mit am Tisch saß. Doch das stimmte so nicht. Natürlich hat Essen viele Facetten. Neben Geschmack, Mundgefühl und Geruch vor allem auch soziale Aspekte bei der gemeinsamen Nahrungsaufnahme. Auf die musste ich aber gar nicht verzichten. Ich setze mich einfach zu den Mahlzeiten mit meiner Familie an den Tisch und ließ in dieser Zeit die Sondennahrung durchlaufen. Ich war also nach wie vor dabei und konnte auch an den Gesprächen teilhaben. Sogar besser als früher. Denn mit vollem Mund wird nicht gesprochen. Erst recht nicht, bei einer Schluckstörung. Aufgrund der Tatsache, dass meine Sondennahrung immer sehr schnell durchläuft (hierzu in diesem Beitrag mehr) war auch ich, wie alle anderen am Tisch, nach dem Essen satt. Das Mundgefühl vermisste ich aufgrund der Tatsache, dass Kauen und Schlucken für mich anstrengend gewesen war, überhaupt gar nicht. Die Gerüche hatte ich trotzdem. Und der fehlende Geschmack war eben etwas, auf das ich zu verzichten bereit war. Ich blieb also eisern und naschte wirklich nicht mehr.

Gewohnheiten und bewusster Genuss

Nach anfänglicher Unsicherheit gewöhnte sich auch mein Umfeld sehr schnell daran. Während zu Hause anfangs immer noch ein Teller mit auf meinen Platz stand, falls ich doch noch mal etwas naschen wollte, wurde dieser bald nicht mehr mit eingedeckt. Das war eine große Hilfe für mich. Denn natürlich gab es auch mal Tage, an denen mir der Verzicht schwerfiel. Der fehlende Teller war dann eine gute mentale Stütze, stark zu bleiben. Ich hatte schließlich meine Gründe. Diese hatte ich meiner Familie und Freunden ebenfalls erläutert. Somit hatten sie alle Verständnis und unterstützten mich. Auch wenn ich an manchen Tagen mal dem Essen fernblieb. Denn natürlich ist der Genuss von Essen (also nicht das bloße Hereinschaufeln von irgendetwas hoffentlich nahrhaftem, bloß um satt zu werden) etwas, das einem manchmal fehlt. Doch um das zu lernen, musste ich erst einmal komplett darauf verzichten. Jahre später machte ich mich dann daran, die Freude und den Genuss am bewussten Essen wieder zu entdecken. Aber das ist eine andere Geschichte aus meinem Leben mit PEG.

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