Da ich unter anderem auch in der Medienbranche arbeite, kenne ich einige kreative Menschen. Diese geraten bei ihrer Kreativ-Arbeit hin und wieder in einen sogenannten „Flow“. Dabei vergessen sie dann alles um sich herum. Gerne auch mal das Essen. Sicherlich geht es nicht nur Kreativschaffenden so, sondern auch anderen Menschen, die sehr fokussiert arbeiten (müssen) und bei denen es keine festen Strukturen für (Essens-) Pausen gibt. Aber ich erinnere mich noch sehr gut, an ein Interview, das ich mit einem Musiker führte. Dabei erzählte er mir eben, dass er manchmal sogar vergesse zu essen. In diesem Moment dachte ich mir: „Was für ein Angeber. Wie kann man denn bitte vergessen zu essen?!“ Und dann passierte mir genau das selbst bei meiner Ernährung über die PEG …
Kein aktiver Akt
Im Gegensatz zu Oralverkostern ist für Menschen, die sich über eine Magensonde ernähren, das Essen an sich ja kein aktiver Akt. Wer sich über eine Sonde ernährt, muss dafür nicht zwingend am Tisch vor einen Teller sitzen. Es muss kein Essen klein geschnitten werden. Und niemand muss sich Essen in den Mund führen, es zerkauen und herunterschlucken. Gerade Letzteres ist ja Sinn und Zweck der ganzen Übung mit einer PEG. Für uns Sondenfreunde läuft das Essen gerne mal nebenbei. Sprichwörtlich. Es muss ihm also nicht viel Beachtung geschenkt werden. So kann es dann passieren, dass das Essen vergessen wird.
Der Hunger
Wie ich schon in einem anderen Beitrag beschrieben habe, haben auch wir, die wir uns über eine Magensonde ernähren, natürlich irgendwann ein Sättigungsgefühl. Auch verspüren wir Hunger. Mit dem Hunger ist es aber so eine Sache. Einerseits tritt er nicht sofort in Erscheinung. Insbesondere bei Menschen, die dank ihrer Magensonde ja grundsätzlich gut ernährt sind. Andererseits ist Hunger auch erst mal keine so starke Empfindung wie beispielsweise Schmerzen oder Harndrang. Er kann also relativ einfach erst mal eine Zeit lang unbemerkt bleiben. Dafür müssen diejenigen, deren Magen knurrt, noch nicht mal zwingend in einem (kreativen) Workflow stecken. Oft reicht schon eine spannende Serie oder ein angeregtes Telefonat, um zu vergessen, dass es eigentlich Zeit gewesen wäre, mal wieder zu sondieren.
Eine wichtige Rolle
Gerade für Menschen, die über eine Sonde ernährt werden, spielt die ausreichende Kalorienzufuhr aber eine wichtige Rolle. Und, wie Oralverkoster auch, können auch wir nicht einfach beim nächsten Mal das doppelte Essen. Wenn dann auch noch andere tägliche Routinen, wie beispielsweise Lagerung oder die Medikamentengabe von der (pünktlichen) Nahrungsaufnahme abhängen, kann es durchaus weitreichende Folgen haben, eine Mahlzeit zu vergessen. Trotzdem ist es kein Weltuntergang, wenn es mal passiert. Aber es sollte natürlich vermieden werden.
Strikte Zeitpläne
Aus diesem Grund gibt es bei vielen, in deren Leben eine PEG eine Rolle gespielt, strikte Zeitpläne. Das kann mitunter eine Belastung sein. Denn wie bei allen Menschen, ist natürlich auch bei denen, die eine Sonde haben, nicht jeder Tag gleich. Manchmal wird etwas länger geschlafen. Manchmal fehlt vielleicht zur Essenszeit noch der Appetit.
Ich habe mehrere Strategien
Für mich haben sich deshalb in meinem Alltag mehrere Strategien bewährt. Zunächst einmal habe ich keinen festen Zeitplan, aber feste Routinen. So gibt es beispielsweise an einem bestimmten Punkt im Ablauf am Morgen Frühstück, ohne dass dies an eine fixe Uhrzeit gekoppelt ist. Dasselbe gilt für abends, bevor ich ein spezielles Medikament nehmen muss.
Darüber hinaus versuche ich, auch meine künstliche Ernährung so natürlich wie möglich zu halten. Das bedeutet, ich nehme meine Nahrung relativ zügig zu mir (darüber habe ich schon mal ausführlicher in diesem Beitrag hier geschrieben). Dadurch bleibt mir der Hunger, der sich eben früher oder später doch bemerkbar macht, erhalten.Wenn ich weiß, dass ich einen ereignisreichen Tag vor mir habe, an dem ich vergessen könnte zu essen, stelle ich mir manchmal auch einen Wecker im Handy. Einfach aber effektiv.
Als letztes Back-up habe ich außerdem meine Assistenzkräfte. Sie wissen, dass ich eine bestimmte Anzahl pro Tag Nahrung zu mir nehmen muss. Wenn Sie also sehen, dass mir noch eine Mahlzeit fehlt, die ich üblicherweise um diese Uhrzeit schon längst zu mir genommen habe, erinnern Sie mich daran und fragen, ob ich etwas essen möchte. Da ich über den Tag verteilt mehrere Assistenzkräfte bei mir habe und auch sie selbst manchmal unsicher sind, ob sie mir jetzt schon etwas zu essen gegeben hatten oder nicht (schließlich ist auch die Vor- und Nachbereitung bei einer PEG wesentlich geringer als Kochen und Abspülen), haben wir ein kleines Tagebuch. Darin werden immer die Nahrungsgabe, Flüssigkeitszufuhr und Medikamente vermerkt. Ein sehr simples aber absolut praktisches Werkzeug im Leben mit PEG.
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